Anfang der 1990er Jahre war das Unternehmen in seiner Existenz bedroht. Doch die Familie blieb treu und fand in Wendelin Wiedeking einen durchsetzungsstarken Reformer, dessen Modernisierungsmaßnahmen nach japanischem Vorbild viele seiner Zeitgenossen in Zuffenhausen schockierten. In der altehrwürdigen Fabrik blieb kein Stein auf dem anderen.
Die Modellpalette wurde in ähnlicher Weise revolutioniert, unter anderem durch eine Gleichteile-Strategie für die 911-Modelle und den Mittelmotor-Zweisitzer Boxster sowie eine Wasserkühlung für alle Motoren. Es folgten ein SUV mit dem angesagtesten Modellnamen des Segments und ein viertüriger Gran Turismo. Der Vorstand entwickelte eine kühne Vision für die Zukunft, die die Zustimmung von Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Porsche fand.
Im März 1998 wurde in Zuffenhausen der letzte luftgekühlte Motor von Porsche produziert. Ferry Porsche hatte das einfache luftgekühlte Prinzip von Volkswagen übernommen und im Porsche 911 Turbo S von 1998 auf 450 PS ausgebaut, bevor der Vorhang aus Umwelt- und Lärmgründen fiel. Die Wasserkühlung hatte nun auch bei den Porsche-Boxermotoren Einzug gehalten – und viele Elfer-Fans waren empört. Doch die neue Generation, die den Grundstein für die Autos von heute legte, ist selbst zum Klassiker geworden.
Ferry Porsche starb am 27. März 1998 in Zell am See. Der Firmengründer hatte eine automobile Legende geschaffen. Er hatte auch eine vorbildliche Unternehmenskultur geschmiedet, eine großartige Mischung aus Fortschritt und Leidenschaft, die niemand ändern wollte. Als Wolfgang Porsche, das jüngste Mitglied der dritten Generation, zum Sprecher der Familie gewählt wurde, galt das als klares Zeichen für Konsens und Zukunftsorientierung.
Wolfgang Porsche, der dem Unternehmen seit jeher eng verbunden ist, hat ein ausgeprägtes Gespür für Tradition und die Bedeutung seiner Familie. So war es ein logischer Schritt, von seinen Verwandten das Schüttgut zu erwerben, das wieder zu einem Rückzugsort der Familie und zur letzten Ruhestätte früherer Generationen geworden ist. Inmitten von Großglockner, Kitzsteinhorn und Schmittenhöhe hält Wolfgang Porsche, Miteigentümer und Aufsichtsrat des Volkswagen Konzerns, die Balance zwischen der Verantwortung für das größte Industrieunternehmen Deutschlands und seinen eigenen Leidenschaften. In der wenigen Freizeit, die ihm bleibt, malt er Stillleben in Öl. Er geht auch auf die Jagd, gelegentlich sogar, wenn die Landschaft meterhoch verschneit ist. Und er sammelt Autos, vor allem solche der Marke Porsche. Zu seinem persönlichen Fuhrpark gehört ein Porsche-Traktor, aber auch ein Austro-Daimler-Bergmeister, der perfekte Beitrag für einen Concours d’Elegance. Das Beste an Wolfgang Porsches Sammlung ist, dass er seine Schätze regelmäßig und ganz lässig fährt. Genau wie seine Kinder. Eines ist sicher: Wolfgang Porsches Sportwagen werden mit Sicherheit keinen Schaden durch Nichtgebrauch nehmen.
Zurück zu Wolfgang Porsche als Manager. Das kontinuierliche Wachstum des Unternehmens erforderte eine gewisse Sicherheit in der Branche. Da lag es nahe, sich mit Volkswagen zusammenzutun. Wolfgang Porsche wacht als Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten über die Entwicklung – mit Charme, Konsequenz und Strenge, wenn es sein muss. Er reist so viel, vor allem zwischen den fünf Standorten Salzburg, Zell am See, Wolfsburg, Ingolstadt und Zuffenhausen, dass er selten mehr als drei Nächte hintereinander an einem Ort verbringt.
Der Porsche-Konzern hat begonnen, Milliarden in Elektromobilität und Digitalisierung zu investieren. Wolfgang Porsche integriert die nächste – inzwischen vierte – Generation seiner Familie in das Unternehmen und bereitet die Jungen auf die Herausforderungen der Zukunft vor. Er ist stolz auf seine Tochter, drei Söhne und vier Enkelkinder. Zu Hause in Salzburg und in Zell am See arbeitet er im Büro seines Vaters in Zuffenhausen, das in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. Er ist ein Vorgesetzter im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Repräsentant. Und ein leidenschaftlicher Förderer. Wolfgang Porsche ehrt die Tradition und verfolgt den Fortschritt.
Von Herbert Völker
Fotos von Porsche