Abstract
Hintergrund. Neutrophilie hat eine breite Differenzialdiagnose und stellt eine systemische Reaktion auf eine Infektion oder andere entzündliche Pathologien dar. Fall. Eine 31-jährige Frau, Gravida 3, Para 2 in der 28. Schwangerschaftswoche, stellte sich in der Tagesklinik vor, nachdem bei einer routinemäßigen Blutuntersuchung eine unerwartet starke Neutrophilie festgestellt worden war. Die Ursache für die Neutrophilie war ein Sonnenbrand. Der Sonnenbrand heilte ab und die Neutrophilenzahl normalisierte sich spontan. Schlussfolgerung. Kliniker können einen Sonnenbrand zur umfassenden Differenzialdiagnose der Neutrophilie hinzufügen.
1. Einleitung
Neutrophilie bezeichnet eine über dem Normalwert liegende Anzahl von Neutrophilen im venösen Blut. Neutrophile sind Phagozyten und ein wichtiger Bestandteil der akuten Entzündungsreaktion auf eine Reihe von Stressfaktoren. Die bei Stress freigesetzten Zytokine bewirken eine Neutrophilie durch die Bewegung von Neutrophilen aus dem marginalen Pool in den zirkulierenden Pool des Blutes und eine erhöhte Produktion von Neutrophilen aus dem Knochenmark. In der klinischen Praxis wird Neutrophilie am häufigsten im Zusammenhang mit einer Infektion beobachtet, aber Kliniker müssen sich bei der Erstellung einer Differentialdiagnose der verschiedenen Ätiologien der Neutrophilie bewusst sein.
2. Fallvorstellung
Eine 31-jährige kaukasische Frau, Gravida 3, Para 2, stellte sich in der Tagesklinik vor. Sie hatte bereits zwei unkomplizierte normale Entbindungen hinter sich und keine medizinischen oder chirurgischen Vorerkrankungen. Ihr 1. Trimester-Screening hatte ein geringes Risiko für Chromosomenstörungen und keine Infektion mit durch Blut übertragbaren Viren ergeben. Bei der Ultraschalluntersuchung im 2. Trimester war ein normal gewachsener Fötus ohne Anomalien festgestellt worden. Sie wurde von einer Hebamme betreut und nahm regelmäßig an ihren vorgeburtlichen Terminen teil. Ihr Blutdruck und ihre Urinanalyse waren bei allen Terminen normal.
In der 28. Schwangerschaftswoche kam sie in die Schwangerenambulanz, um im Rahmen der routinemäßigen Schwangerenvorsorge Blutuntersuchungen durchführen zu lassen. Ein eine Woche zuvor durchgeführtes vollständiges Blutbild war normal ausgefallen. Bei dieser Untersuchung betrug die Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen jedoch 29,9 × 109/L, bestehend aus einer Neutrophilenzahl von 23,92 × 109/L bei gleichzeitiger Basophilie und Eosinophilie (Tabelle 1). Auch die Thrombozytenzahl war im Vergleich zu einer Woche zuvor erhöht. Ihr Hämoglobin lag bei 106 g/dL, das mittlere korpuskuläre Volumen bei 69,5 fL. Sie wurde gebeten, am nächsten Tag zur Wiederholung des Bluttests und zur weiteren Untersuchung in die Tagesklinik ihres Sekundärversorgungszentrums zu kommen.
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Die Patientin war in den vorangegangenen Wochen völlig gesund gewesen. Sie gab keine Symptome einer akuten oder chronischen Infektion an. Sie hatte weder Unterleibsschmerzen noch vaginalen Ausfluss oder Blutungen. Die Kindsbewegungen und die Kardiotokographie waren normal. In den letzten Wochen hatte sie keine neuen Medikamente eingenommen. Sie bestätigte, dass sie keine bekannten chronischen Entzündungen hatte, in letzter Zeit kein Trauma erlitten hatte und sich psychisch nicht sonderlich belastet fühlte.
Bei der Untersuchung hatte sie einen weichen und unempfindlichen Bauch und eine entsprechend gewachsene Gebärmutter. Ihr Brustkorb war frei und ihre Herztöne normal. Es gab keine Anzeichen einer tiefen Venenthrombose. Bei der Untersuchung ihrer Haut wurden an sonnenexponierten Stellen, vor allem an den Schultern, erythematöse Flecken und darüber liegende Schuppung festgestellt. Sie hatte einen Hautphototyp von 2 (normalerweise Verbrennungen, selten Bräunung). Ihr Blutdruck und ihre Urinanalyse waren normal. Ein erneutes vollständiges Blutbild bestätigte Neutrophilie, Basophilie und Eosinophilie. Ein Blutbild bestätigte Neutrophilie und Linksverschiebung sowie deutlich mikrozytäre Erythrozyten, ohne Hinweise auf ein hämatologisches Malignom.
Das Wetter in Großbritannien war in der vorangegangenen Woche außergewöhnlich heiß und sonnig gewesen. Der UV-Index, ein Maß für die Stärke der Sonnenbrand verursachenden UV-Strahlung, hatte in den Tagen vor ihrer Vorstellung in unserer Stadt einen Höchstwert von 7 erreicht. Ein UV-Index von 7 ist im Vereinigten Königreich ungewöhnlich und bedeutet ein „hohes“ Maß an UV-Exposition und Sonnenbrandgefahr. Auf weitere Nachfrage bestätigte die Patientin, dass sie 4 Tage vor ihrer Vorstellung einen Nachmittag am Strand verbracht und es versäumt hatte, ihre Haut mit Kleidung oder Sonnencreme zu schützen, so dass sie einen Sonnenbrand erlitten hatte. Sie meinte, dass sich ihre Haut zum Zeitpunkt der Vorstellung gebessert habe.
Die Patientin erhielt die vorläufige Diagnose einer durch Sonnenbrand verursachten Neutrophilie und wurde konservativ behandelt. Sie erhielt Ratschläge zum Sonnenschutz und erhielt Eisensulfat wegen einer möglichen Eisenmangelanämie. Bei der telefonischen Nachuntersuchung 1 Woche später fühlte sie sich weiterhin völlig wohl und ihr Sonnenbrand war abgeklungen. Ein anschließendes vollständiges Blutbild zeigte eine Normalisierung ihrer Blutwerte und bestätigte die vorläufige Diagnose. Außerdem war der Zufallsbefund einer mikrozytären Anämie durch die orale Eisenkur behoben worden.
3. Diskussion
Die Differentialdiagnose der Neutrophilie ist breit gefächert (Tabelle 2). Von besonderer Bedeutung für die Schwangerschaft sind Infektionen, Präeklampsie, Kortikosteroidverabreichung und die Stressreaktion auf Wehen und Geburt. Es ist auch zu beachten, dass der Normalbereich der Neutrophilenzahl selbst bei einer völlig unkomplizierten Schwangerschaft erhöht ist. Eine ausführliche Anamnese und Untersuchung reichen in der Regel aus, um die Ursache der Neutrophilie zu klären; weitere Untersuchungen können jedoch erforderlich sein, wie z. B. biochemische und mikrobiologische Proben sowie eine entsprechende Bildgebung. Besteht der Verdacht auf ein hämatologisches Malignom, müssen Blutbilder und eine Knochenmarksbiopsie von den entsprechenden Spezialisten durchgeführt werden.
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Sonnenbrand wird durch ultraviolettes B (UVB) Licht verursacht . UVB-Licht, das durch Keratinozyten dringt, kann DNA-Schäden verursachen, indem es benachbarte Pyrimidinbasen zur Bildung von Pyrimidindimeren veranlasst. Diese Reaktion ist häufig und wird in der Regel schnell durch Nukleotid-Exzisionsreparatur repariert. Die DNA-Schäden veranlassen die Keratinozyten jedoch, hohe Mengen an proinflammatorischen Zytokinen zu produzieren, darunter IL-1, IL-6, TNF-alpha und G-CSF. G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) bewirkt speziell eine erhöhte Produktion und Freisetzung von Entzündungszellen wie Neutrophilen durch das Knochenmark. Die Neutrophilen werden dann an den Ort der Gewebeschädigung gebracht und tragen zur Entzündung und Reparatur bei. Eine lokale Entzündung nach übermäßiger UVB-Bestrahlung macht sich klinisch als Erythem und anschließende Schuppung in den sonnenexponierten Bereichen in den Tagen nach der Exposition bemerkbar, was als „Sonnenbrand“ bekannt ist.
Thermische Verbrennungen werden in Texten als Ursache für Neutrophilie genannt, aber Sonnenbrand, obwohl eine häufige Ursache für Verbrennungen in der kaukasischen Bevölkerung, ist nicht speziell als Ursache dokumentiert. Es ist jedoch klar, dass ein Sonnenbrand die klinische Manifestation einer akuten Entzündungsreaktion in der Haut ist, die zahlreiche Auswirkungen hat, darunter auch eine Neutrophilie.
In diesem Fall ermöglichte die klinische Untersuchung in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der eigenen Erfahrung des Autors mit dem schönen Wetter in den vorangegangenen Wochen eine klinische Diagnose ohne unnötige weitere Untersuchungen. Eine Nachuntersuchung, die ein spontanes Abklingen der Neutrophilie zeigte, bestätigte die Diagnose. Kliniker, die Sonnenbrand in ihre Liste der Differentialdiagnosen aufnehmen, können möglicherweise unnötige und potenziell teure und gefährliche Tests und Eingriffe vermeiden. Schließlich sollte schwangeren Frauen, wie allen Patienten, geraten werden, übermäßige Sonnenexposition zu vermeiden, um Sonnenbrand und den langfristigen Risiken von Hautkrebs vorzubeugen.
Interessenkonflikte
Der Autor erklärt, dass es keine Interessenkonflikte gibt.