Die arterielle Blutgasanalyse hat zwei klinische Funktionen: die Beurteilung des Sauerstoffgehalts im Blut und die Beurteilung des Säure-Basen-Status. Die Beurteilung des Säure-Basen-Status beruht auf der Messung des pH-Wertes und des Partialdrucks von Kohlendioxid (pCO2) in einer arteriellen Blutprobe mit Hilfe von Elektroden, die im Blutgasanalysegerät untergebracht sind, sowie auf zwei weiteren berechneten Parametern, der Bicarbonat (HCO3-)-Konzentration und dem Basenüberschuss (BE), die durch Berechnung aus den gemessenen pH- und pCO2-Werten abgeleitet werden.
Die Kenntnis der pH-, pCO2- und HCO3–Werte des Patienten reicht aus, um festzustellen, ob der Säure-Basen-Status normal ist (alle drei Parameter innerhalb ihres jeweiligen Normalbereichs), und wenn nicht, welche der vier unkompensierten Säure-Basen-Störungen (respiratorische Azidose, respiratorische Alkalose, metabolische Azidose und metabolische Alkalose) vorliegt. Jede dieser unkompensierten Säure-Basen-Störungen ist durch ein bestimmtes Muster von pH-, pCO2- und HCO3–Ergebnissen gekennzeichnet und hängt von der Vorstellung ab, dass pCO2 die respiratorische Komponente des Säure-Basen-Gleichgewichts und HCO3- die (nicht respiratorische) metabolische Komponente des Säure-Basen-Gleichgewichts ist.
Wie also trägt der Basenüberschuss zur Beurteilung des Säure-Basen-Status des Patienten bei und was ist ein Basenüberschuss überhaupt? Antworten auf diese Fragen finden sich in diesem kürzlich veröffentlichten Übersichtsartikel über den Basenüberschuss, der dazu beiträgt, Aspekte dieses etwas umstrittenen Blutgasparameters zu entmystifizieren, die Studenten der Säure-Basen-Pathophysiologie oft nicht verstehen können.
Der Artikel beginnt mit einem nützlichen kurzen historischen Überblick über die Anwendung der Blutgasanalyse bei der Beurteilung des Säure-Basen-Status seit den Anfängen der Blutgasanalyse in den frühen 1950er Jahren. Wir erfahren hier, dass das Konzept des Basenüberschusses 1958 von zwei dänischen klinischen Biochemikern, Pionieren der Blutgasanalyse, Poul Astrup und Ole Siggaard-Andersen, auf der Grundlage von In-vitro-Experimenten mit menschlichem Blut entwickelt wurde.
Ziel ihrer Experimente war es, einen Index (sie nannten ihn Basenüberschuss) zu entwickeln, um die (nicht-respiratorische) metabolische Komponente des Säure-Basen-Haushalts zu quantifizieren. Sie definierten den Basenüberschuss als die Menge an starker Säure (in mmol/L), die in vitro zu 1 Liter vollständig sauerstoffangereichertem Blut hinzugefügt werden muss, um die Probe wieder auf Standardbedingungen (pH 7,40, pCO2 40 mmHg und Temperatur 37 °C) zu bringen. Wenn das Blut bereits einen pH-Wert von 7,40, einen pCO2-Wert von 40 mmHg und eine Temperatur von 37 °C hat, dann ist der Basenüberschuss per Definition 0 mmol/L.
Die Vorstellung, dass der Basenüberschuss, wie Astrup und Siggaard-Andersen behaupteten, ein genauer Index für die nicht-respiratorische Komponente des Säure-Basen-Gleichgewichts sei, wurde von US-Experten auf diesem Gebiet in Frage gestellt, was die so genannte „große transatlantische Säure-Basen-Debatte“ auslöste, die der Autor schildert. Als Reaktion auf die US-Kritik an den Annahmen, die bei der Entwicklung der Gleichung zur Berechnung des Basenüberschusses zugrunde gelegt wurden, nahm Siggaard-Andersen eine geringfügige Änderung der Gleichung vor (die vom Autor dieser Übersichtsarbeit ausführlich beschrieben wird) und nannte den geänderten Index: Standard Base Excess (SBE).
Nach dieser historischen Perspektive konzentriert sich der Autor auf die verwirrende Nomenklatur, die das Konzept des Basenexzesses umgibt, und definiert einige Begriffe, darunter: tatsächlicher Basenexzess (ABE), Standardbasenexzess (SBE) und Basendefizit (BD). Außerdem erläutert er die Gleichungen, die in den Algorithmen der Blutgasanalysatoren zur Berechnung von ABE und SBE verwendet werden.
Es folgt ein Abschnitt, in dem erörtert wird, wie SBE zur vollständigen Aufklärung von Säure-Basen-Störungen, einschließlich kompensierter Säure-Basen-Störungen und gemischter Säure-Basen-Störungen, verwendet werden kann. Insbesondere stellt der Autor zwei Algorithmen vor, die die SBE (und die Albumin-korrigierte Anionenlücke) einbeziehen: einen zur Untersuchung der Azidämie (pH 7,42). Die Anwendung dieser Algorithmen wird anhand von drei Fallbeispielen veranschaulicht.
Der letzte Abschnitt dieses Artikels ist ein Überblick und eine Diskussion der in der Literatur gesammelten Belege dafür, dass die SBE ein nützlicher Prädiktor für den Schweregrad einer kritischen Erkrankung ist, die mit einem hypovolämischen Schock und einer daraus folgenden metabolischen Azidose einhergeht.